OSV | Oldtimer Segelflug Vereinigung Schweiz
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03. Mai 2010

Die OSV im Verkehrshaus Luzern

100 Jahre Schweizer Luftfahrt

 

Schweizer Oldtimer-Segelflugzeuge im Verkehrshaus

 

Am Wochenende vom 17./18. April 2010 war im Innenhof des Verkehrshauses Luzern ein Stück Schweizer Segelfluggeschichte zu bewundern. Mitglieder der Oldtimer Segelflug Vereinigung Schweiz (OSV) brachten vierzehn mehrheitlich flugtüchtige Schweizer Segelflugzeuge aus der Zeit von 1937 bis 1976 ins Verkehrshaus.

 

Die Segelfluggruppe Luzern (1931 - 1981) musste ihr Fluggelände auf der Luzerner Allmend 1947 verlassen, weil daraus eine polyvalente, hässliche Vorstadtentsorgungswiese (Zitat aus dem SGL-Stammtischbuch) gemacht wurde. Heute erinnern nur noch die Fliegerschuppen an die aviatische Vergangenheit der Luzerner Allmend. Wegen der Tieferlegung der Zentralbahn wurden die ehemaligen Hangars kürzlich um einige Meter versetzt und teilweise instand gestellt. Doch am Samstag, 17. April 2010, waren die Segel­flugzeuge zurück in Luzern! Am frühen Morgen fuhren erstaunlich viele Autos mit langen An­hängern durch die Stadt. Das Ziel der Piloten war nicht die Allmend, sondern der Lieferanteneingang des Verkehrs­hauses.

 

Ein Stück Schweizer Segelfluggeschichte

 

Schon bald standen die grossen, unhandlichen Anhänger im neu erstellten Innenhof (Arena) des Verkehrshauses und ein emsiges Treiben begann. Innert einer Stunde waren vierzehn Segelflugzeuge auf dem Betonplatz aufgebaut. Die Segelflugzeuginvasion im Verkehrshaus war eine weitere Aktion, welche im Rahmen der Aeroclub-Feier ’100-Jahre-Schweizer Luftfahrt’ stattfand. Die Mitglieder der Oldtimer Segelflug Vereinigung Schweiz hatten ausschliesslich Schweizer Segelflug­zeuge nach Luzern gebracht. Die vierzehn Flugzeuge waren zwischen 1937 und 1976 in der Schweiz gebaut und mit zweieinhalb Ausnahmen von Schweizern konstruiert worden. Zwölfeinhalb der ausgestellten Oldtimer Segelflugzeuge sind noch flugtüchtig. Das älteste seit 73 Jahren! Ein so umfassendes Stück Schweizer Luftfahrtgeschichte ist selten an einem Ort vereint.

 

Interessiertes Publikum

 

Zögerlich, aber stetig gesellten sich ab 10.00 Uhr die Verkehrshausbesucher unter die anwesenden OSV-Mitglieder. Der Samstag sei kein guter Museumstag, erklärte uns Henry Wydler vom Verkehrshaus. Einem Mädchen fiel auf, dass die Flügel der Hälfte der ausgestellten Segelflugzeuge krumm sind. Die Piloten gaben gerne Auskunft: Die Knickflügel (oder Gull Wing - Möwenflügel -, wie es im Englischen eleganter heisst) verwendeten die Segelflug­zeug­konstrukteure vor allem in den 30er- und 40er-Jahren. Sie dachten, dass ein vogelähnliches Flugzeug gut fliegt. Die sich aus dem Knickflügel ergebende V-Form stabilisierte das Flug­zeug. In den 50er-Jahren setzten sich wieder die einfacher zu bauenden geraden Flügel (mit V-Form) durch.

 

Elfe P 1



Wobei auch hier die Ausnahme die Regel bestätigt. So hat die Elfe P 1, HB-278, aus dem Jahre 1939 gerade Flügel ohne V-Form. Entsprechend anspruchsvoll soll das bereits 1949 stillge­legte Segelflugzeug zu fliegen gewesen sein. Ein Blick genügt um zu erkennen, dass diese erste Konstruktion von Werner Pfenninger seiner Zeit um Jahrzehnte voraus war. Die Flügelgeometrie ist nach siebzig Jahren noch topmodern. Das kleine Segelflugzeug mit 9 Metern Spannweite wog nur 43 Kilogramm und war mit Wölbklappen versehen. Auch das von Pfenninger selbst entwickelte dünne, widerstandsarme Flügelprofil war 1938 ein Blick in die Zukunft. Die vom bekannten Flugzeugbauer Ruedi Sägesser erstellte Elfe P 1 steht am Anfang der erfolgreichen Elfe-Reihe.

 

Elfe S 4A

 Am Schluss der langen Entwicklungsreihe steht die Elfe S 4A, HB-2146, aus dem Jahre 1976. Das von Georg Serwart erstellte Segelflugzeug (Bausatz) stammt aus einer anderen Zeit und von einem anderen Konstrukteur und hat somit mit der Elfe P 1 nur den Namen gemeinsam. Der Eindruck, dass es sich bei der Elfe S 4A um ein reines Kunststoff-Segelflugzeug handelt täuscht: Die Flügel- und Rumpfschalen sind eine Sperrholz-Waben-Sperrholz-Konstruktion. Auch dem bewährten Aluminiumholm ist Albert Neukom bei seiner Elfe S 4A treu geblieben.

 

Diamant HBV und FFA Diamant 18 WL

Weiss und modern wirkten auch die beiden ausgestellten Diamanten, welche von der Flug- und Fahrzeugwerken in Altenrhein (FFA) 1967 und 1968 gebaut wurden. Das ist mittlerweile auch schon mehr als 40 Jahre her. Schön, dass diese beiden Flugzeuge in Mirjam Rogger, Martin Götz und Peter Hanhart eine Eigentümerin, respektive zwei Eigen­tümer gefunden haben. Alle drei Diamanten-Besitzer gehören übrigens der Schweizer Segelkunstflug­szene an, eine interessante Horizonterweiterung der Oldtimer Segelflug Vereinigung Schweiz.

 

Einmalig war auch, dass Thomas Bircher als  einer der Konstrukteure der Diamanten und Aktivmitglied des Oldtimer Clubs Schänis zwei volle Tage anwesend war und gerne Auskunft gab. Zum Beispiel über den Side Stick welcher nach 44 Jahren immer noch spielfrei funktioniert, sich aber im Segelflugzeugbau nicht durchsetzen konnte. Der Blick in die engen Cockpits der beiden Diamanten zeigt, dass die 60er-Jahre keine gute Zeit für segelfliegende Schwinger mit entsprechenden Körpermassen waren. Doch für den Aufbau des 18-Meter-Diamanten waren kräftige Schwinger durchaus erwünscht, denn ein Flügel bringt gut 90 Kilogramm auf die Waage. Wie uns Martin Götz verriet, handelt es sich bei der ausgestellten HB-916 um den weltweit grössten Diamanten, denn die nachträglich angepassten Winglets haben die Spannweite auf 18,02 Meter erhöht. Den HBV-Diamant, HB-762, hat der Autor eingangs des Artikels frecher Weise nur als halbe Schweizer Konstruktion gezählt, weil die Flügel von der Glasflügel Hütter H 301 Libelle stammen.

 

PC 11 Pilatus B 4 AF

Auch das von den Pilatuswerken in Stans in den 70er-Jahren in über 300 Exemplaren gebaute Metallsegelflugzeug B 4 ist eine deutsche Konstruktion, was viele Schweizer Segelflieger nicht wissen. Der Deutsche Werner Kuffner hat das Trainingssegelflugzeug für die Rheintalwerke in Basten gezeichnet und dort entstanden auch zwei Prototypen. Und es war Werner Kuffner, welcher den Serienbau in Stans am Anfang betreut hat. Doch ist es die Aufgabe des Autors, alle Segelflug-Legenden zu berichtigen? Nein, hiess die Antwort, nach einer längeren Diskussion an diesem Wochenende im Verkehrshaus. Also soll das beliebte Trainings- und Kunstflugzeug B 4 in diesem Bericht ein Schweizer Segel­flugzeug bleiben. Übrigens mit der prominenten Unterstützung des Buchautors Martin Simons, welcher in seiner deutschen Erstausgabe ’Segelflugzeuge 1965 -2000’ die Rheintalwerke in Basten irrtümlich in die Schweiz verlegt hat. Ein anwesender Pilot teilte mit dem Autor die Erinnerungen an die speziellen Geräusche der B 4: Das blechige ’Blob’, ’Blob’ im Flug und das Quietschen der Stossstangen war irgendwie ’heimelig’.

 

Karpf Baby

Auch das in der Bootswerft von Emil Karpf in Seelmatten (Turbenthal) gebaute Karpf Baby ist höchstens eine Schweizer Variante des deutschen Grunau Babys. Nur Kenner erkennen den Unterschied (zum Beispiel an den Querrudern). Doch ist das wichtig? Nein. Entscheidend ist, dass das ausgestellte Karpf Baby, HB-494, vor bald dreissig Jahren von den Mitgliedern des Oldtimer Club Schänis restauriert wurde und seither in der Luft gehalten wird.

Stiftung Segelflug

Am Abend demontierten die OSV-Mitglieder ihre Oldtimer und schoben (seltener trugen) sie in die Anhänger. Das Verkehrshaus hatte alle Helfer zum Nachtessen eingeladen und schon bald entwickelten sich angeregte Diskussionen. Ein Gesprächsthema war die ’Verbannung’ der vier historischen Segelflugzeuge Elfe S 3, Spyr 3a, Farner WF 7 und GMBZ-Zögling aus der Luftfahrthalle des Verkehrs­hauses ins Depot. Auch die Verkehrshaus-Philosophie, die Substanz eines Segelflugzeuges zu erhalten, indem man ihm eine Schraube in den Hauptholm dreht (das bedeutet auf Neudeutsch für immer ’gegrounded’ oder in Schweizer Mundart ’gebodigt’), entspricht nicht jener der OSV. Das gibt Thomas Fesslers Idee, eine Stiftung zu gründen, massiven Rückenwind. Der Stiftungszweck soll die Erhaltung von Segelflugzeugen und den entsprechenden Dokumenten (Archiv) sein. Endziel wäre ein Schweizer Segelflugzeugmuseum mit flugfähigen und flugunfähigen Exponaten.

Internationale und nationale Luftfahrtbehörden

Der zweite Wermutstropfen sind die Luftfahrtsbehörden, welche kaum noch zwischen dem Oldtimer-Segelflugzeug eines Idealisten und dem Jet einer gewinnorientierten Fluggesellschaft zu unterscheiden wissen. Entsprechend wurden die Segelflieger mit unverhältnismässig hohen Gebühren und unnötigen Auflagen eingedeckt. Würden die Behörden nach einem risikoorientierten Ansatz vorgehen, so dürften sie sich kaum eine Minute mit den liebevoll gepflegten Oldtimern beschäftigen, welche bei schönen Wetter zusammen pro Jahr nur wenige tausend Stunden in der Luft sind. Und es ist auch nicht einzusehen, warum ein Oldtimersegelflugzeug, welches von einem Amateur gebaut wurde und seit siebzig Jahren von Amateuren unterhalten und renoviert wurde, plötzlich nur noch einem lizenzierten Unterhaltsbetrieb anvertraut werden kann. Als Idealisten glauben die Mitglieder der Oldtimer Segelflug Vereinigung Schweiz aber fest daran, dass sich längerfristig die Vernunft durchsetzen wird. Und sie werden sich dafür einsetzen!

Leidenschaft

Am Sonntag, 18. April 2010, standen die OSV-Mitglieder bereits um 08.00 Uhr wieder in der Arena des Verkehrshauses, um ihre Flugzeuge aufzubauen. Der Grund für dieses Tun heisst Leidenschaft. Das Wetter war unsicherer als am Vortag und entsprechend mehr Publikum strömte zu den attraktiven Oldtimern. Zwischendurch wurde es so hektisch, dass es einem kleinen Kind gelang, unbemerkt und blitzschnell auf ein Höhenleitwerk zu klettern.

WLM 1


Das Kind hatte sich mit der WLM 1 ein stabiles Segelflugzeug ausgewählt, sodass glücklicherweise kein Schaden entstand. Das vom Ingenieurbüro Weber-Landolf -Münch, Luzern, speziell für das Training künftiger Militärpiloten entwickelte Segelflugzeug ist für eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h ausgelegt. Das Cockpitlayout war dem eines Kampfflugzeuges (Vampire) angepasst. Die Werkstätte A. Isler in Brugg baute den Prototyp und die Rümpfe für zwei weitere Flugzeuge. Die Flügel der zweiten und dritten WLM-1 entstanden in den Pilatus-Werken in Stans. Die ausgestellte HB-552 von Urs Eichenberger hat als einziges Exemplar überlebt.

Dreigestirn

Die sieben weiteren Segelflugzeuge, welche es am 17./18. April 2010 in der Arena des Verkehrshauses zu bewundern gab, wurden von den drei bekannten Schweizer Segelflugkonstrukteuren Georg Müller, Jakob Spalinger und August Hug gezeichnet. Das Dreigestirn entwarf in den 30er- und 40er-Jahren tolle Segelflugzeuge, deren Eleganz noch heute zu begeistern weiss. Spalinger, Hug und Müller arbeiteten in jungen Jahren zusammen, standen aber später in harter Konkurrenz zueinander.

Moswey III und IVa


Die Moswey III wurde im Zweiten Weltkrieg von Georg Müller konstruiert und von W. Hegetschweiler in einer 11er-Serie gebaut. Die HB-374 ist für viele Mitglieder des Oldtimer Clubs Schänis das Lieblingssegelflugzeug, auch wenn es an die Piloten grössere Anforderungen stellt als die restlichen Oldtimer der OCS-Flotte (Ka2, Ka6CR und Karpf Baby).

Auch die präsidiale Moswey IV a, HB-522, wird von Andreas Fahrni gern und viel geflogen. Sie befindet sich in einem perfekten Zustand.

Spalinger S 18 und S 19


Es ist in den letzten Jahren selten geworden, dass drei Spalinger-Flugzeuge an einem Ort vereint sind. Das liegt sicher nicht an der frisch renovierten S-19, HB-225, welche von Fips (Hans Rothenbühler) regelmässig an die Oldtimer-Treffen gebracht wird.

Etwas rarer machte sich in den letzten Jahren die S 18 IIB, HB-411, die von einer Zuschauerin aus der Ferne als Modellflugzeug bezeichnet wurde. Das lag wohl daran, dass die HB-411 unter der Convair CV-990A ’Coronado’ mit einer Spannweite von 42,4 Metern und einer Höhe von 12 Metern kleiner wirkte als üblich.

Die S 18 III, HB-510, ist seit sechs Jahren stillgelegt. Das soll sich ändern, wie man der Kurzbeschreibung des Flugzeuges entnehmen konnte. Alle ausgestellten Exponate waren einheitlich mit den technischen Daten und einer Kurzbeschreibung beschildert. Man konnte beobachten, wie sich mehrere Piloten um die HB-510 versammelt hatten und über abgelaufene Gurten und eine notwendige Wägung diskutierten. Nägel mit Köpfen wurden gemacht. Es wäre schön, wenn die statische Aus­stellung vom 17./18. April 2010 zum Ausgangspunkt einer neuen Flugkarriere der HB-510 würde. Der vogelähnliche Spalinger S 18 III in den Farben der 50er-Jahre wäre sicher eine Bereicherung am Schweizer Himmel.

Spyr V und Spyr Va


Die beiden mächtigen Doppelsitzer Spyr V sind die einzigen noch flugfähigen Segelflugzeuge von August Hug. Dass von zwei gebauten Exemplaren nach über fünfzig Jahren immer noch beide fliegen, ist keine Selbstverständlichkeit. Beide befinden sich heute in den professionellen Händen von Schreinern. Man munkelt, dass der OSV-Präsident himself zurzeit am Rumpf eines seit den 70er-Jahren gegroundeten Spyr IV arbeitet. Möge der dritte Spyr bald wieder fliegen.

Wolkenbruch

Früher als erwartet und etwas abrupt ging die einmalige Oldtimer-Segelflugzeug-Ausstellung im Verkehrshaus Luzern zu Ende. Noch vor 15.00 Uhr begann es zu regnen. Nur Hans Gysi schaffte es, seine Elfe P 1 ins Trockene zu bringen. Ein Rüstgewicht von nur 43 Kilogramm hat seine Vorteile. Doch Petrus hatte ein Einsehen und stellte den Regen wieder ab. So konnten die restlichen dreizehn Segelflugzeuge von ihren Besitzern liebevoll getrocknet, zerlegt und versorgt werden. Und dann fuhren sie in alle Himmelsrichtungen davon.

Bleibt dem Autor nur noch, Willy Fahrni und Marco Schnyder für die Organisation des einmaligen Anlasses zu danken. Und Dank verdient haben auch alle Piloten und Helfer, welche zwei volle Tage Bodendienst leisteten. Leidenschaftlich.


    


 




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